Should I stay or should I go? – Dreads und Entscheidungen

Dreadlocks sind zwar keine Tattoos, dennoch haben sie etwas von Beständigkeit. Das Erstellen, der Prozess des Filzens, das Einarbeiten von Schmuck. Man muss Geduld mitbringen, wenn man schöne, lange Dreadlocks haben möchte. Und je älter die Dreads werden, umso schwieriger scheint es mir, sie zu verändern. Oder warum fällt es mir so schwer, sie gehen zu lassen? Eine philosophische Abhandlung über Entscheidungen.

Trägheit oder sogar festgefahren?

Als ich jünger war, und ich glaube, die meisten kennen das, habe ich ständig meine Haare verändert. Sämtliche Farben ausprobiert. Erstmal machen, dann denken. Abrasiert, 3mm, warum auch nicht? Besonders wenn es darum ging, eine Trennung zu verarbeiten. Als Teen hatte es etwas theatralisches, sich erstmal bei den schlonzigsten Kuschel-Rock-Songs (jepp, Kind der 90er) die Haare zu färben, wenn man „nicht mehr miteinander geht“. Und heute? Dieses Jahr ist mein Herz mehr als einmal gebrochen worden (I know, I know…ich bin eben Romantikerin) und dennoch bin ich noch ich. Mir kommt es fast so vor, als wäre ich in einer Endlosschleife, immer das gleiche erleben zu müssen – oder ist das das besagte Karma?

Jedenfalls stand ich gestern vor dem Spiegel und merkte: es muss eine Veränderung her. So wie damals. New Day, New Me, oder so. Es hat etwas rituelles, wenn man das, was man innerlich fühlt, äußerlich manifestiert. Nicht selten, um nicht zu sagen oft, gehe ich in solchen Phasen zu meinem Tattoo-Künstler des Vertrauens. Aber diesmal soll es kein Tattoo werden. Sondern die Dreads müssen…anders. Die Dreadlocks abzuschneiden, so generell, kommt für mich nicht in Frage. Färben? Ist möglich (lies HIER mehr darüber, wie man Dreadlocks färben kann), aber ich bin ganz ehrlich zu faul dazu. Bei der Masse an Filz braucht es gleich mehrere Packungen, Flaschen Wein und unfassbar viel Geduld, um alle Farbe restlos auszuwaschen. Also auch keine Option. Bin ich wirklich so träge oder sogar festgefahren?

Dreads auskämmen?

Dreadlocks sind natürlich nicht unveränderbar. Man kann sie auskämmen, neu machen, teilweise neu machen. Wenn es einem nicht gefällt, kann man sie auch wieder anhäkeln. Alles möglich. Ich nehme also einzelne Dreads in die Hand und überlege, was ich tun könnte. Meine Dreads trage ich jetzt seit sieben Jahren und bis auf eine kurze Phase, in der ich den Side-Cut habe rauswachsen und verlängern lassen, habe ich nichts wildes mit ihnen angestellt. Man könnte also sagen, dass die sieben Jahre noch an mir kleben. Und ein bisschen fühlt es sich auch so an. Vielleicht kommt daher der Wunsch zur Veränderung. Wenn ich aber darüber nachdenke, auch nur einen Dread auszukämmen, werde ich direkt melancholisch. „Warum er?!“, so als hätte dieser eine Dread etwas verbrochen. Was natürlich quatsch ist. Bitte sag mir, dass ich nicht die Einzige bin, die ein persönliches Verhältnis zu jedem Dread hat. „Awww, guck, der hatte hier mal einen Knubbel…und der hier, der ist hier mal abgerissen…aaawww…und an dem hat meine Katze immer gespielt…dieser hier hängt mir immer in der Suppe und dieser verfängt sich beim Sex IMMER in meiner Achselhöhle….“ und so weiter. Dreadlocks sind wahre Geschichtenerzähler. Ganz abgesehen von dem Schmuck, den man über die Jahre dort ansammelt, austauscht oder sich an Makramee- oder Wickeltechniken versucht.

Meine Überlegung ist also: wenn ich die Dreads auskämme (wie das geht, erfährst du HIER) und dann neu erstelle – sind sie dann noch die Geschichten, die ich erlebt habe? Die Trennungen? Die Urlaube am Meer? Vermutlich nicht. Aber darum geht es mir auch gar nicht. Schließlich sind wir als Personen mehr als die Summe unserer Erlebnisse.

Worum zum Teufel geht es mir dann und warum lässt mich das Thema nicht los? Should they stay or should they go?

Der natürliche Wunsch zur Entwicklung

Ich bin der festen Überzeugung, dass das einzig Beständige in unserem Leben die Veränderung ist. Halten wir zu sehr fest, verkrampfen wir und verhindern unsere eigene Entwicklung. Wenn du zurück schaust, 1, 2 oder 5 Jahre: bist du dann noch die selbe Person?

Ein Augenöffner war etwas, was Alice aus Leipzig gesagt hat (HIER kommst du zu ihrem Profil): „Erfinde dich neu, es gibt keine Grenzen! Nur Mut!“ Das hat irgendwie gesessen.

Abgesehen von dem Wunsch zu Veränderung nach Trennungen oder sonstigen menschlichen Erlebnissen, haben wir stets die Möglichkeit, uns selber einen Sinn zu geben und unseren Körper so zu gestalten, wie es mit unserem Inneren übereinstimmt. Man könnte so weit gehen zu sagen, dass unser Körper unser schönstes Kunstprojekt ist. Manche Menschen lieben genau deswegen die Mode. Andere, so wie Alice, sind einfach badass und inspirieren dich, einfach mal aus der eigenen Sehgewohnheit rauszugehen und zu überlegen: wer bin ich eigentlich? Wenn ich mal meine festgefahrenen Gedankenmuster für einen Moment beiseite schiebe, bin ich dann vielleicht mutiger, als ich denke? Und wenn nicht: bin ich es nicht wegen mir oder wegen anderen?

Veränderung muss auch kein Resultat aus Frust sein oder nur aus Unzufriedenheit passieren. Was wäre, wenn wir etwas neugieriger und spielerischer damit umgehen könnten? Auch Dreadlocks können raus, ab, dran, weg, länger, kürzer, bunter gemacht werden.

Und manchmal, so nach sieben Jahren, ein paar Herzbrüchen und so manchen Turbulenzen kann man sich mal hinsetzen, die Kuschel Rock auflegen und einfach mal mutig sein. Mit Alice als Spirit Animal, versteht sich.

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